Auszug aus der Tauber-Zeitung vom 18.3.1988
Pfarrer Kneipp bei Dr. Anton Stützle Bad Mergentheim 1896
150 Jahre Ärzte-Dynastie der Familie Stützle
Mediziner mittlerweile in der fünften Generation
BAD MERGENTHEIM. Familientraditionen setzen sich vor allem auch bei uns oft über Jahrhunderte hinweg fort. Das aber seit 150 Jahren ohne Unterbrechung aus einer Familie Ärzte hervorgehen, ist wohl selten. Auf eine 150jahrige Ärztetradition kann am 18. März die Familie Stützle in Bad Mergentheim zurückblicken, denn just an diesem Tage promovierte 1838 mit Karl Alexander Stützle der erste Sproß dieser Familie in Tübingen. Seine ausführliche Doktorarbeit musste damals noch in Latein geschrieben werden; sie ist heute noch im Besitz der Familie. Ihn zog es auf seinen Reisen oft ins Ausland, wobei Frankreich ihn offensichtlich besonders fasziniert hat.
Die Großfamilie Stützle stammt aus Buchau in Oberschwaben, und zwar aus einer Bierbrauerei, die heute noch den edlen Gerstensaft produziert. Einer der Söhne des Bierbrauers ergriff 1838 den Beruf des Arztes und legte damit den Grundstein für die auch heute noch bestehende Ärzte- >>Familiendynastie<<. Der Sohn des besagten Karl Alexander Stützle, Anton, legte sein ärztliches Staatsexamen in Straßburg ab, die Promotionsurkunde stammt vom Juli 1873, unterschrieben hat sie der Oberpräsident von Elsaß-Lothringen. Dr. Anton Stützle ließ sich dann in Mergentheim nieder. In einem Schreiben aus Ellwangen an das Königlich Württembergische Oberamt Mergentheim ist dies dokumentiert. Dort heilßt es, dass er nach einem Beschluss des Gemeinderates die Verpflichtung eingehen muss, alle Kranken, ohne Unterschied der Heimat, welche der Fürsorge der öffentlichen Armenverbande anheimfallen, zu verarzten.
Dr. med. Karl Alexander Stützle 1814-1903
Dr. med. Anton Josef Stützle 1847-1906
Dr. Anton Stützle, Vater von 12 Kindern, interessierte sich schon damals für Naturheilkunde. Besonders angetan hatten es ihm die Naturheilmethoden von Pfarrer Kneipp. Er wendete sie in seiner Praxis in der Mühlwehrstraße 22 und in dem von ihm errichteten Sanatorium im Kurgebiet (heute Pax-Heim) an. Pfarrer Kneipp kam auch des öfteren zu seinem Freund Dr. Stützle nach Mergentheim. Der frühere Brunnen vor dem Haus ist zwar mittlerweile verschwunden, doch sind von der Stadt Bad Mergentheim derzeit überlegungen im Gange, an dieser Stelle im Rahmen der Platzgestaltung an der Mühlwehrstraße wieder einen Brunnen aufzustellen. Frl. Therese Stützle, heute fast 94jahrig, erinnert sich noch an Erzählungen ihrer Mutter. Wenn Dr. Anton Stützle und Pfarrer Kneipp in der Praxis im Parterre die Behandlung der Patienten beendet hatten, kamen sie gerne zum Kaffee in die Wohnung im 1. Stock. Getrunken wurde damals allerdings nicht der von Pfarrer Kneipp besonders empfohlene >>Kathreiner<< es musste vielmehr ein guter Bohnenkaffee sein, den der eigenwillige Pfarrer, der mit seinen Methoden eine ganze Gesundheits-Bewegung inszeniert hat, besonders gern getrunken haben soll.
Dr. med. Karl Boromäus Stützle
Sohn Karl, geboren 1882, war später als Arzt dem Neuen besonders aufgeschlossen. Er wollte sich mit der Kaltwassertherapie seines Vaters nicht abfinden, sondern widmete sich den Mergentheimer Trinkquellen und schwor auf die wohltuende Wärme in Form von Fango-Packungen. Der Fortschritt war schon vor dem Ersten Weltkrieg auch in der Ärzte-Familie Stützle deutlich geworden. In der Zeit von Anton Stützle waren in der Mühlwehrstraße noch Scheuer und Stallungen mit Pferden und auch Wohnungen für Stallknecht und Kutscher vorhanden, denn der Arzt mulßte damals seine Patienten auf dem Lande per Kutsche besuchen. Fahrten an einem Tag nach Bernsfelden, Nassau, Rot oder Herbsthausen waren keine Seltenheit - ein sehr zeitaufwendiges Unterfangen. Deshalb stieg Sohn Karl 1911 auf einen motorisierten Untersatz um und fuhr im offenen Auto zu seinen Patienten. Damals ein viel bestauntes Ereignis. Doch auch dies war mit großen Strapazen verbunden - so musste oft auf einer Fahrt ein platter Schlauch fünf bis sechs Mal geflickt werden. Die Beleuchtung des Autos bestand damals aus Karbidlaternen. Die Frau des Arztes musste für Nachtfahrten, beispielsweise zu Hausgeburten, zuvor warmes Wasser für den Autokühler und die Laternen zubereiten und für den Ehemann winter- und wetterfeste Kleidung parat legen. Die Operationen, die Dr. Karl Stützle durchführte (seine Ausbildung hierfür absolvierte er in Heilbronn und Stuttgart), fanden noch in den Wohnhäusern statt, ehe später im >>Carolinum<< am Oberen Graben für ihn ein Krankenhaus mit chirurgischem Operationssaal zur Verfügung stand. Erst Jahre später wurde das jetzige Kreiskrankenhaus für Chirurgie eröffnet.
Dr. med. Eberhard Stützle geb. 1917
Dr. med. Hermann Stützle 1920-2001
In der vierten Ärztegeneration, die von den Söhnen Eberhard (heute als Arzt in Trier tätig) und Hermann (Bad Mergentheim) repräsentiert wird, hat sich vieles gewandelt. Die Balneologie, die Lehre von der Therapie mit natürlichen Heilmitteln als Zusatz zur medikamentösen Behandlung, hat unter ausgezeichneten Lehrmeistern wie Dr. Leopold und Professor Stockinger Bad Mergentheim zu einem Begriff in Deutschland werden lassen. Besonders nach 1950 hat sich die Zahl der Heilungsuchenden von Jahr zu Jahr um Tausende in Bad Mergentheim vermehrt. 1951 war es Dr. Hermann Stützle vergönnt, zum 125jahrigen Bestehen des Heilbades Mergentheim die Festrede in der Wandelhalle vor Ministern und Größen der Landespolitik und der Medizin zu halten. Auch 1976, beim Fest zum 150jahrigen Bestehen des Heilbades, sprach Dr. Stützle. Wahrend seiner 26jahrigen Tätigkeit im Hotel Kurhaus (heute ParkHotel) vertrauten sich seinem ärztlichen Können unzählige Heilungsuchende aus dem In- und Ausland an, darunter auch viele prominente Zeitgenossen. Die Arzttradition der Familie Stützle wird heute in der 5. Generation von Dr. Ulrich Stützle (Promotion 1987 in Mainz), einem Sohn von Dr. h. c. Karl Stützle, fortgesetzt.
Dr. med.Ulrich Stützle geb. 1954